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Martina Kömpel, ohne Limits und ohne Grenzen

Martina Kömpel ist nie da, wo man sie erwartet. Nach einer Karriere in den größten Pariser Restaurants führt Sie nun ein Hotel-Restaurant in der Corrèze und moderiert eine Kochshow im deutschen Fernsehen. Porträt einer freien Frau.

Martina Kömpel mag es nicht, eine Wahl zu treffen. "Ich sitze gerne zwischen zwei Stühlen", sagt sie lächelnd in einem perfekten Französisch. So moderiert sie heute eine Kochshow im deutschen Fernsehen, führt ihr Hotel-Restaurant "Les Contes de Bruyères" in Servières le Château in der Corrèze und ist Beraterin für Les vergers Boiron. In ihrem unklassierbaren Restaurant bietet sie jeden Tag ein einfaches Mittagsmenü an (13 Euro mit Vorspeise, Hauptgericht und Dessert), ein ausgefeilteres Abendmenü (mit verschiedenen Zusammenklängen Speisen und Wein), und auf Bestellung Speisen der hohen Gastronomie für internationale Gäste, mit einer großen Auswahl von hervorragenden Weinen aus dem eigenen Keller.
Egal was sie anbietet, sie verwendet nur die besten Produkte, die sie jeden Morgen auf dem Markt selbst einkauft, und bereichert sie saisonal mit Kräutern und Pilzen, die ihre Mutter sammelt, die seit einigen Jahren in der Gegend wohnt. Für ihre gastronomischen Gerichte verwendet sie edle Erzeugnisse wie Täubchen eines lokalen Züchters und Foie gras von einem der besten Produzenten Südwestfrankreichs. "Ich mache aber keinen Unterschied zwischen der Alltagsküche und den großen, außergewöhnlichen Essen. Ich möchte meine Gäste überraschen, begeistern und vor allem, sie neue Dinge entdecken lassen." In diesem Sinne kocht sie "typisch deutsche" Knödel (nach einem Rezept ihres Großvaters) für ihre lokalen Gäste, die "davon begeistert sind". Andererseits präsentiert sie ihren ausländischen Gästen Flusskrebse, die aus einem kleinen Bach in der Nähe stammen und Zutat eines sehr feinen, regionalen Gerichtes sind dem "Poulet aux écrevisses", Hähnchen an Flusskrebsen.
 
"Ich hatte das Glück, bereits in meiner Kindheit an sehr unterschiedliche Kochweisen und Kulturen herangeführt zu werden, beginnend mit der traditionellen österreichischen Küche. Ich lege Wert auf einheimische Bio-Erzeugnisse und verarbeite wilde Produkte, wie Pilze und Kräuter. Meine Mutter, die eine passionierte Freundin der Natur ist, brachte mir bei, sie zu unterscheiden und zu schätzen. Danach hatte ich Gelegenheit, in der Welt herumzureisen und habe die Küche vieler asiatischer Länder, darunter Indonesien und Indien, kennengelernt und später die afrikanische und lateinamerikanische Küche."
 

Liebe am Lernen

Mit 16 ist Martina Internatsschülerin in Deutschland und nimmt teil an Kochkursen, die ein "Bonvivant" Priester, wie sie ihn nennt, hielt. Von ihm lernt sie die Mittelalterküche. "Das ist witzig. Dieser Priester brachte mir bei, wie man gefüllten Karpfen macht, ein Gericht, das eher mit der jüdischen Küche (gefilte Fisch) in Verbindung gebracht wird. So entdeckte ich diese Tradition, die Gerichte aus ganz Zentraleuropa vereint, wie den Borschtsch. Ich vermische gerne Dinge, die eigentlich nicht zusammen passen. Das ist der beste Weg, um sich von vielen Zwängen zu befreien, aber auch, um neue interessante Geschmackskombinationen zu finden."
 

Orientierungswechsel

Ein neues Abenteuer beginnt. Martina arbeitet bei einem Modedesigner und schließt eine Schneiderlehre ab. Anschließend studiert sie in Deutschland Theaterwissenschaft und Völkerkunde und macht einen Master in Psychologie. Um ihr Studium zu finanzieren, jobbt sie als Assistentin in einer Film- und TV-Produktionsfirma in München. Sie kann viel reisen, vor allem nach Lateinamerika, und ihre Kenntnisse der Kochkultur erweitern.
 

Die Pariser Wette

Die nächste Etappe. Sie will nach Paris zum Film, doch ihre Hoffnungen erfüllen sich nicht. "In der geschlossenen Film- und Fernsehwelt von Paris wurde ich als Außenseiterin betrachtet." Mehr durch Zufall führt sie ihr Weg zur gehobenen Gastronomie. "Über eine Freundin, die meine Kürbissuppe hervorragend fand, konnte ich Alain Senderens kennenlernen, der mich sofort unter seine Fittiche nahm." Sie wird eingestellt und arbeitet in der Brigade dieser Größe der Nouvelle Cuisine im Lucas Carton. Der 2017 verstorbene Alain Senderens hat seine letzte Ruhestätte in der Corrèze, nicht weit entfernt von Martinas Restaurant.
"Die Arbeit mit diesem großartigen Koch war ein unglaubliches kulinarisches und menschliches Erlebnis. Als erstes wurde mir klar, dass das Arbeiten im Lucas Carton, einem Restaurant mit fünf Gault & Millau-Kochmützen und drei Michelin-Sternen, all mein Können in Frage stellte und ich hart an mir arbeiten musste, um auf Topniveau zu kommen. Ich schuftete wie eine Verrückte. Und dann 2005, gibt Alain Senderens seine drei Michelin-Sterne zurück, eine einmalige Geste in der französischen Gastronomiegeschichte. Er schließt das Lucas Caron und eröffnet es neu unter dem schlichten Namen Senderens, um zwanglos kochen zu können. Sehr früh hat er gespürt, dass die Welt sich ändern würde und hat seine Devise: Freiheit, umgesetzt. Er hat den Zugang zur Gastronomie demokratisiert, ohne Zugeständnisse an die Qualität zu machen. Das hat mich zutiefst geprägt und den Rest meiner Karriere bestimmt."
 

Der Kreis schließt sich

Um ihre Technik zu perfektionieren, erhält Martina in der prestigeträchtigen Ecole Ferrandi der Gastronomie und Hotellerie einen der 10 Plätze, für die sich jedes Jahr über 1000 Kandidaten bewerben. "Heute kann ich gestehen, dass dieser Teil meines Lebens ziemlich vollgepackt war. Ich war die erste Deutsche, die bei Ferrandi zwei Abschlüsse machte (CAP und BTS). Mit zwei schulpflichtigen Kindern half mir mein Mann, wo er konnte, aber es war nicht leicht." In der Schule trifft Martina auf ein deutsches Fernsehteam, das eine Reportage dreht. Sie wird engagiert, um einmal wöchentlich im WDR einen Kochkurs zu halten. "Die Idee war, die großen Klassiker zu kochen, wie Blanquette de veau, Coq au vin, Mousse au chocolat, aber auch die Grundrezepte zu zeigen, z.B. Mayonnaise. Oft trat ich vor die Kamera mit den Techniken oder Gerichten, die ich die Woche zuvor in der Schule gelernt hatte."
Die Schule lässt ihre Schüler im Hotel Ritz arbeiten, unter der Aufsicht des großen Chefs Michel Roth, zwei Michelin-Sterne, MOF und Bocuse d'Or. "Ich konnte mit meiner Fernsehsendung im Ritz weitermachen und außerdem die Chefs dieses besonders geschichtsträchtigen Hauses hinzurufen. Wir waren 80 Leute in der Küche und mussten den Gaumen sehr unterschiedlicher Gäste aus der ganzen Welt zufriedenstellen. Hier erlebte ich Michel Roth, einen großen beispielhaften Koch, der sein Team mit Meisterhand zu leiten wusste. Er brachte mir die echte, äußerst raffinierte französische Küche bei, ohne in der Tradition erstarrt zu sein. Für mich war der Kreis geschlossen. Ich arbeitete mit einem französischen Küchenchef und hatte eine deutsche Fernsehsendung, gleichzeitig!"
 

Botschafterin des guten Geschmacks

Anschließend eröffnet Martina ihren eigenen Cateringbetrieb und gewinnt eine angesehene Kundschaft: Botschaften und Diplomaten, UNESCO, private Kunden aus gehobenen Kreisen. Nach einem Abstecher nach Marokko kehrt sie nach Frankreich zurück und konzentriert sich auf ihre Familie. Zu diesem Zeitpunkt erfährt sie von ihrer Mutter Barbara Winterstein, die seit einigen Jahren in Südwestfrankreich lebt, dass die kommunalen Behörden von Servières-le-Château in der Corrèze jemanden suchen, der bereit ist, das seit vier Jahren geschlossene Restaurant der kleinen Stadt zu übernehmen.
 
Damit beginnt das neue Abenteuer, das sie heute zwischen Frankreich und Deutschland pflegt. "Mit meinem Partner fahren wir jeden Monat für ein paar Tage nach Deutschland, um meine Kochsendung zu drehen. Wir fahren nie über die Autobahn, sondern nutzen die Reise, um uns die Städte und Ortschaften auf dem Weg anzuschauen, und natürlich die Köstlichkeiten der verschiedenen Regionen zu probieren. Meine Beratertätigkeit mit Les vergers Boiron ist ein perfektes Komplement dazu und ermöglicht mir, Chefs der ganzen Welt zu treffen und ständig neue Kreationen zu finden."
 
Vor einigen Monaten hat Martina das Hotel über dem Restaurant in Servières-le-Château renoviert. Da sie keine halben Sachen macht, hat sie die Zimmer mitten in der Corrèze mit Accessoires und Möbeln aus dem Hotel Ritz in Berlin ausgestattet, das gerade renoviert wurde.
Also, wenn Sie möchten, wird Ihnen im Contes de Bruyères mittags zum Beispiel eine Rosa Linsensuppe oder ein Brennnesselsalat als Vorspeise serviert, und am Abend genießen Sie eine der großen kulinarischen Spezialitäten von Martina, das Täubchen aus Saint-Privat gefüllt mit Kohl und Foie gras oder ein Rinderfilet (Kreuzung Salers-Charolais) mit Pfifferlingen. Danach begeben Sie sich in Ihr Zimmer aus dem Ritz von Berlin und bewundern am nächsten Morgen die Landschaft der Corrèze!
 
 
 
 
 
November 2018