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Terroir: Die Osmose zwischen Boden und Mensch

Der erste Artikel der neuen Serie "Vom Feld auf den Tisch, eine Wissenschaft für sich": Die Bedeutung des Terroirs für den Anbau von Qualitätsfrüchten und die Wichtigkeit dieses altehrwürdigen Begriffes. Die Erde ist ein großer Terroir.

Vom Feld auf den Tisch, eine Wissenschaft für sich

Dieser Artikel ist der erste einer Serie, die regelmäßig im Les vergers Boiron Magazin und unserem E-Newsletter erscheinen soll. Diese Serie steht unter der Aufsicht von Corinne Tisné, Projektleiterin F&E bei Les Vergers Boiron. Durchleuchtet werden die Beziehungen zwischen Wissenschaft, Landbau, Kultur (im doppelten Wortsinne) und den Verarbeitungsverfahren der Früchte, und wir bringen sie in Verbindung mit der Gastronomie, der Patisserie und der Mixologie. Zum Auftakt beschäftigen wir uns mit dem Thema Terroir, in gewisser Weise der Wurzel der Les vergers Boiron Bestrebung, in der ganzen Welt nach den besten Früchten zu suchen.

Nr. 1 - Die Terroirs der ganzen Welt

Die UNESCO beschreibt einen Terroir als "einen begrenzten geographischen Raum, der ab einer Menschengemeinschaft definiert wird, die im Laufe ihrer Geschichte ein Ensemble distinktiver Kulturzüge aufgebaut haben, die auf einem System von Interaktionen zwischen der Natur und humanen Faktoren gründen.
Die eingesetzten Kenntnisse und Mittel ergeben eine Originalität, verleihen Typus und erlauben, die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die aus diesem Raum stammen, und folglich die Menschen, die dort leben, zu würdigen."

Der französische Begriff Terroir (das Wort ist so gut wie unübersetzbar in andere Sprachen) hat in den letzten Jahren eine neue Dimension erlangt und tendiert von einer limitativen und traditionellen geographischen Angabe nun zu einem neuen Konzept, das die lokalen und humanen Besonderheiten der verschiedenen Terroirs der Welt in den Vordergrund rückt.
Heute trägt dieses Konzept zur Änderung der Mentalität bei, wie wir unsere Ressourcen einsetzen, und es wird zu einem zentralen Thema in unserer Auffassung der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere in Bezug auf die Werte und die Vielseitigkeit der lokalen Landwirtschaft.

Der Terroir, ein fruchtbares Fortschrittsfeld

Bis vor kurzem wurde Terroir hauptsächlich für Wein und die angebauten Rebsorten in bestimmten Regionen oder auf speziellen Parzellen benutzt. Der Begriff integrierte natürlich auch das Können der Winzer und ihr Talent bei der Selektion und der Weinbereitung. Deshalb wurden Terroir und die damit zusammenhängende Appellation Kriterien für Güte und Regelmäßigkeit, als Ergebnis eines jahrhundertelangeb Beobachtens, Wiederholens und Forschens.

Mit der Zeit und neuen Erkenntnissen, vor allem wissenschaftlichen Bodenuntersuchungen in Weinanbaugebieten und sensorischen Weinanalysen, konnte man die Existenz von mehr oder weniger präzisen Verbindungen zwischen den organoleptischen Eigenschaften und den eingesetzten natürlichen und humanen Faktoren belegen. Ein Wein aus Trauben, die von einer bestimmten Parzelle stammen, gewinnt sensorische Eigenschaften, einen einmaligen Charakter, einen Typus, den man in keinem anderen Wein wiederfindet, selbst aus Trauben identischer Sorte von einer benachbarten Parzelle. Dafür sind natürliche und menschliche Faktoren verantwortlich. Dies trifft besonders auf die sogenannten "Climats" des Burgunds zu, die in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurden.

Die Qualität ist kein Zufallsergebnis

Was für die Weintraube gilt, trifft ebenfalls für andere Früchte zu, auch wenn man die beteiligten Faktoren nuancieren und differenzieren muss. Eins ist gewiss, die organoleptischen Eigenschaften einer Frucht - ihre Farbe, ihr Geschmack, ihr Aroma, ihre Textur - und ihre physikalischen und chemischen Merkmale - Zuckergehalt, natürliche Farbstoffe, Braunwerden bei Oxidierung - hängen in erster Linie von der Sorte ab.
Wie bei den Reben gibt es für jede Fruchtart mehrere Sorten. Die Himbeere zum Beispiel besitzt mehrere Dutzend verschiedene Sorten, die Aprikose mehrere hundert und die Birne mehrere tausend.
Jede dieser Sorten bietet verschiedene sensorische Qualitäten. Einige Himbeersorten haben z.B. eine besondere holzige Note oder bestimmte Mangosorten entwickeln ein harziges Aroma.
Jede Fruchtsorte reagiert auch anders bei der Verarbeitung unter der Wirkung von Temperaturen und Sauerstoff. Diese Faktoren fließen demnach ebenfalls in die Wahl der Früchte ein, die zu Püree verarbeitet werden sollen.

Über die Sorte hinaus sind bestimmte Früchte oder Fruchtsorten nur für einen einzigen Terroir geeignet, oder bestenfalls an wenige Umgebungen, in denen die Früchte immer schon angebaut wurden. Versuche, den Anbau dieser Sorten in anderen als der Ursprungsregion zu betreiben, scheiterten. Dies ist der Fall für die Bergamotte, eine kleine Zitrusfrucht aus Kalabrien in Italien, von woher 95% der Weltproduktion stammt.

Qualität nicht mit Quantität verwechseln

Die meisten Fruchtsorten haben sich auf mehrere Erdteile ausgebreitet und sich an die verschiedenen Umgebungsbedingungen angepasst. Der Terroir-Begriff, im weitesten Sinne, bezieht sich nun überwiegend auf die Qualität der Früchte. Sehen wir dazu die Pistazie (Pistacia vera). Weltweit werden jährlich zwischen 800.000 und 1 Million Tonnen produziert:
• 400.000 bis 450.000 Tonnen im Iran
• 200.000 bis 250.000 Tonnen in den USA
• 100.000 bis 125.000 Tonnen in der Türkei
• 50.000 bis 75.000 Tonnen in China
• 40.000 bis 50.000 Tonnen in Syrien

Viele große Pâtissiers und Eismacher schwören auf die sizilianische Pistazie (Pistacia vera cultivar Napoletana), die hauptsächlich in der Region von Bronte auf den vulkanischen Böden an den Hängen des Ätna gedeiht. Mit einer mittleren Produktion von 2.500 bis 3.000 Tonnen jährlich stellt dieses oro verde (grüne Gold) bestenfalls 0,5% der Weltproduktion dar. Die nach einem sehr strengen Pflichtenheft angebaute und (was in anderen Ländern nicht geläufig ist) von Hand gut reif geerntete Pistazie ist mit der geschützten Herkunftsbezeichnung Pistacchio di Bronte, Denominazione di Origine Protetta ausgezeichnet. Oft reservieren die renommiertesten Produzenten ihre Ernte treuen Kunden, darunter die größten Konditoren und Eismacher, von denen einige es nicht scheuen, persönlich zur Ernte zu kommen, wie große Weinhändler, die der Lese der Grands Crus beiwohnen.

Ebenfalls zitieren kann man die Zitrone aus Syrakus (Limone di Siracusa), die in Sizilien in der gleichen Gegend wie die Pistazie angebaut wird und eine geschützte geografische Angabe (IGP) trägt. Auch sie wird nach einem strengen Pflichtenheft angebaut. Sie hat eine hohe Saftausbeute und einen hohen Gehalt an ätherischen Ölen und Spurenelementen. Diese Sorte, die femminello syracusain, verweist auf ihre außergewöhnliche Reichlichkeit, denn sie blüht und trägt Früchte dreimal im Jahr, und jede Ernte erbringt unterschiedliche Qualitäten und Farben.


Vom Feld auf den Tisch

Egal für welche Frucht, ausschlaggebend ist zunächst, die Terroirs zu kennen, in denen die besten Fruchtsorten wachsen und jedes Jahr (und sogar in jeder Saison) die beste Rohware auszuwählen. Dadurch lernen wir das Verhalten der Frucht bei der Verarbeitung besser zu verstehen und zu steuern, damit unsere Enderzeugnisse für die Anwender in der Gastronomie und Patisserie eine konstante und optimale Qualität besitzen.

Das sagt der Experte

"So, wie man die Terroirs für die Bordeaux-Weine auswählt, die grundsätzlich Assemblagen sind (Rebsorten Cabernet-Sauvignon, Cabernet-franc und Merlot), so wendet Les vergers Boiron die Philosophie des Terroirs und der Assemblage an, um verschiedene Sorten einer Frucht zusammenzustellen. Z.B. 60% Erdbeere aus einer Region für den Geschmack, 30% einer anderen Erdbeere für die Farbe und 10% einer weiteren für die Geschmeidigkeit des fertigen Pürees. Dies ermöglicht uns, eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten (nicht vergessen, dass wir in unserer Arbeit mit unkontrollierbaren Faktoren konfrontiert sind, wie das Wetter, Pflanzenkrankheiten und Parasiten!).

Der Fall des weißen Pfirsichs ist vergleichbar mit dem Wein von Condrieu, der exklusiv aus einer einzigen Rebsorte, dem Viognier, hergestellt wird. Aber noch entscheidender ist der besondere Terroir. Unter diesem Aspekt hat Les vergers Boiron eine weiße Pfirsichsorte ausgewählt, Bellerime, die unsere Qualitätsansprüche und unsere Anforderungen an die Verarbeitbarkeit erfüllt. In Gegenden, die wir wegen ihrer Bodenbeschaffenheit, ihres Klimas, ihrer Anbaumethoden und ihrer Erträge, kurz, wegen ihres Terroirs, ausgesucht haben, ließen wir ganze Plantagen mit dieser Pfirsichsorte anpflanzen. In Zukunft wird sie der alleinige Bestandteil unseres sortenreinen weißen Pfirsichpürees sein, denn sie liefert alles, was wir für unser Püree suchen.

In unserer Partnerschaft mit der familiengeführten Obstplantage im Departement Var (Südfrankreich) praktizieren wir seit 20 Jahren die gleiche Politik, um Früchte zu erzeugen, die sich wie gemacht für unsere Les vergers Boiron Fruchtpürees ohne hinzugefügten Zucker eignen.

Um unsere Kenntnisse über die Rohware, die Produktionszonen, Anbauer und Erntebedingungen zu nutzen, wenden wir etwas an, das wir "fruitification" nennen und von der Philosophie der Weinbereitung abgeschaut ist! Dieser Begriff integriert das Konzept des Terroirs im weitesten Wortsinne, d.h. er berücksichtigt die Eigenschaften des Bodens, des Anbauortes und das Wissen der Menschen, die dafür arbeiten, dass die Frucht ihre besonderen Merkmale erhält!"
 
Corinne Tisné, Projektleiterin F&E Les vergers Boiron






November 2018